In einem Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern und einem Betriebsrat ist beim Personalabbau in größerem Umfang der Bertriebsrat schon im Stadium der Planung der Entlassungsmaßnahmen zu beteiligen. Werden die Beteiligungsrechte nicht beachtet, kann der Betriebsrat die Umsetzung des Personalabbaus gerichtlich einstweilen untersagen lassen. Es ist zu empfehlen, dass die Geschäftsleitung für den gesamten Verfahrensablauf ein strategisches Konzept erstellt, in dem die komplexen Anforderungen an einen rechtssicheren Personalabbau Schritt für Schritt sorgfältig durchdacht werden, bevor sie dem Betriebsrat gegenübertritt. Auch wenn die Zeit drängt, ist darauf zu achten, dass für die Umsetzung der Entlassungsmaßnahmen genügend Zeit für die Verhandlungen mit dem Betriebsrat, für Verzögerungsmaßnahmen der Arbeitnehmervertretung und für die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfristen einkalkuliert wird. Die sehr erheblichen Verzögerungen bei einem Einigungsstellenverfahren sind zu berücksichtigen. Das Recht der Massenentlassungen ist so konzipiert, dass ein Betriebsrat den Personalabbau grundsätzlich nicht verhindern kann, solange die Geschäftsleitung die gesetzlichen Spielregeln beachtet.
Abhängig von der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer im Betrieb und von der Anzahl der beabsichtigten Entlassungen kann die Geschäftsleitung gesetzlich verpflichtet sein, sich auf Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich einzulassen, und der Betriebsrat kann einen Sozialplan erzwingen.
Bei Unternehmensneugründungen kann der Betriebsrat in den ersten 4 Jahren nach der Gründung grundsätzlich keinen Sozialplan erzwingen.
Kein Interessenausgleich und kein Sozialplan sind mit dem Betriebsrat auszuhandeln, wenn bei den Entlassungen die sog. Schwellenwerte von § 17 KündigungsschutzG unterschritten werden. Diese Erleichterung der Kündigungsmöglichkeiten sollte die Geschäftsleitung stets beachten. Je nach einer bestimmten Betriebsgröße (Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer) entfallen Interessenausgleich/Sozialplan, wenn die Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer (AN) einen bestimmten Schwellenwert nicht überschreitet:
Beispiele: Ein Betrieb beschäftigt 125 Arbeitnehmer. Davon sollen 11 Arbeitnehmer entlassen werden. Der Schwellenwert ist unterschritten. Ein Betrieb beschäftigt 280 Arbeitnehmer. Davon sollen 25 Arbeitnehmer entlassen werden. Der Schwellenwert ist ebenfalls unterschritten.
Bei Unterschreitung dieser Schwellenwerte ist der Weg für betriebsbedingte Kündigungen frei, ohne Verhandlungen über einen Interessenausgleich/Sozialplan- und ohne Massenentlassungsanzeige. Es muss aber selbstverständlich die Anhörung des Betriebsrats, wie vor jeder Kündigung erfolgen.
Im Interessenausgleich vereinbart die Geschäftsleitung mit dem Betriebsrat das "Ob", "Wann" und "Wie" der Entlassungsmaßnahme. Für den Arbeitgeber besteht nur eine gesetzliche Verpflichtung zum Führen von Verhandlungen und zum Versuch der Herbeiführung eines Interessenausgleichs. Es besteht kein Zwang zur Einigung. Scheitern die Verhandlungen mit dem Betriebsrat, muss der Arbeitgeber die Einigungsstelle beim Arbeitsgericht anrufen. Kommt auch dort keine Einigung über einen Interessenausgleich zustande, kann der Arbeitgeber die Maßnahme umsetzen. Die Einhaltung dieser Verfahrensweise ist geboten. Sonst werden gesetzliche Mindestabfindungsansprüche der betroffenen Arbeitnehmer ausgelöst.
Dass der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich nur verhandeln muss und kein Einigungszwang besteht, ist Ausdruck der verfassungsrechtlich verbrieften unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Ein Betriebsrat kann die Umsetzung einer Organisationsentscheidung der Geschäftsleitung letztlich nicht verhindern.
In der Praxis besteht jedoch aus Praktikabilitätsgründen, wegen des erheblichen Zeitdrucks der Geschäftsleitung und wegen der vielfältigen Verzögerungsmöglichkeiten des Betriebsrats ein erheblicher Einigungsdruck. Interessenausgleich und Sozialplan werden zumeist zügig gemeinsam ausgehandelt, ohne dass die Einigungsstelle angerufen wird.
Unabhängig davon, ob ein Interessenausgleich zustande gekommen ist, kann der Betriebsrat die Aufstellung eines Sozialplans erzwingen, letztlich durch den Spruch der Einigungsstelle beim Arbeitsgericht. Ein Sozialplan kann auch noch nach vollständiger Durchführung der Entlassungsmaßnahme erzwungen werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers dient ein Sozialplan der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der betroffenen Arbeitnehmer. Sozialplanabfindungen sind gewissermaßen Zwangsbfindungen. Denn obwohl die Entlassungsmaßnahme als betriebsbedingter Kündigungsgrund rechtlich einwandfrei und damit nach dem Gesetz nicht abfindungspflichtig ist, steht dem gekündigten Arbeitnehmer ein Sozialplan-Abfindungsanspruch zu.
DR. STEFAN HERTER
Rechtsanwalt
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